8
Sep
2007

Protestkultur

Im April forderte SPÖ Parteichef und Bundeskanzler Gusenbauer am Parteitag der SPÖ Burgenland mehr Anstand. Der Regierungschef befindet, dass in den vergangenen Jahren sei es "zu einer Verlotterung der Sitten gekommen". Auch wenn diese Aussage bezüglich diverser gebrochener Wahlversprechen bzw. bewusster Wahllügen, Wasser auf den Mühlen der Kritiker war und eher zu einer humoristischen Einlage verkommen war, so liegt auch im September 2007 in dieser Äußerung noch eine tiefere Wahrheit, die man nicht einfach zum Kabarettstück degradieren sollte.

Werfen wir also einen Blick auf den 7. September, den Tag der Ankunft von Papst Benedikt XVI. in Österreich. Dem Tag, an dem auch eine kleine Gruppe von Demonstranten für die Äußerung ihrer politischen Ziele nutze. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist natürlich unbestritten und so muss es in einer demokratischen Republik auch möglich sein, dass man inhaltliche Äußerungen des Kirchenoberhauptes kritisieren darf, aber die Art und Weise ist dennoch entscheidend. Ist es daher wirklich eine Form des Anstandes, wenn die SJ dabei mit Plakaten mit Sprüchen wie „Zur Hölle mit Ratzinger“ ihre „Meinung“ kundtut?

Eine adäquate Form der sachlichen Auseinandersetzung in einer demokratischen Republik ist es wohl kaum. Überraschender dabei ist aber wohl, dass solche „verbalen Entgleisungen“ von einer doch nicht unbedeutenden Organisation wie der SJ nahezu kommentarlos hingenommen werden. Der Standard kommentierte auf seiner Onlineausgabe diese Plakaten folgendermaßen „machten die jungen Demo-Anhänger ihrem Ärger Luft.“ Für Linksradikalismus scheint man hierzulande auf einem Auge blind zu sein.

Welche Reaktionen hätte es wohl gegeben – vermutlich völlig zu recht, wenn es auch schwer ist eine Fiktion medialer Kommentare zu bewerten- , wenn HC Strache mit solchen Plaktaten heute durch Wien gezogen wäre? Aber der saß ja – für mich völlig überraschend – am Abend in der Hofburg und lauschte den Worten von Präsident Fischer und Papst Benedikt.

Einzelfall oder Symptom unserer Medienlandschaft? Erinnern wir uns dazu an den ÖH Wahlkampf – auch wenn es wehtut, da dieser an Tiefschlägen die „große Politik“ um Längen schlägt.
Im Mai kam Strache anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung des Ring Freiheitlicher Studenten an die Universität Graz. Diese Veranstaltung rief eine Demonstration verschiedener linker Studentenorganisationen hervor, bei der es zu Ausschreitungen mit der Polizei kam. Laut Berichten von Anwesenden kam es dabei zu sehr üblen Ausfälligkeiten. Interessierte, die sich nur anhören wollten, was Strache sagt, wurden von den Demonstranten bespuckt und beschimpft.

Man mag zu Strache stehen wie man will – und nach den jüngsten Erkenntnissen wird er hoffentlich bald kein aktiver Politiker mehr sein – aber solche Handlungen sind mit einem demokratischen Versammlungsrecht und einer Meinungsfreiheit nicht mehr in Einklang zu bringen. Medialer Aufschrei? Nein, der kam auch hier nicht.
Einige

Kritischere mediale Berichterstattung zog ein Wahlplakat des KSV nach sich. Dieses Plakat zeigt eine uniformierte Frau mit einem Maschinengewehr. Über die Geschmacklosigkeit eines solchen Plakates brauch ich mich wohl nicht weiter auslassen. Aber auch hier war das mediale Echo relativ schwach. Höhnisch wird auf der Seite des KSV noch bemerkt, dass man es nur auf Seite 20 der Kronen Zeitung geschafft habe.


Auch wenn uns heute die demokratischen Werte schon als Selbstverständlichkeiten erscheinen, wäre es notwendig, dass es hier wieder zu einer Renaissance von politischer Vernunft und Anstand kommt. Die angeführten Beispiele sind nur eine geringe Auswahl von verschiedenen höchst unwürdigen Veranstaltungen, bei denen die öffentliche Berichterstattung eher weggeschaut hat, als hingeschaut hat.
Es gäbe derer noch unzählige. Ich möchte nur an den „Feierzug“ der SJ nach den steirischen Landtagswahlen zur ÖVP Zentrale erinnern, wo sich die Jugendorganisationen von Rot und Schwarz fast in eine Straßenschlacht eingelassen haben.

Die Zeiten, in denen sich zu politische Fragen Straßenschlachten geliefert wurden und Österreich in einen Bürgerkrieg geraten ist, sind noch nicht so lange her, als dass man diese Radikalisierung der Politik – vor allem in den Jugendorganisationen – mit einem Schulterzucken abtun dürfte.
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